Rubrik: Ernst Weiß Werk
16. Januar 2023
Neuausgabe einer Übersetzung von Ernst Weiß – „Tartarin von Tarascon“ bei Faber & Faber
Seitdem die Werke von Ernst Weiß „gemeinfrei“ sind, also das Copyright für seine Romane und andere Schriften im Jahr 2010 abgelaufen ist, gibt es eine Schwemme von billig aufgemachten Nachdrucken mit knalligen Covern und von dubiosen Verlagen herausgebracht. Da ist es fast eine kleine Sensation, daß das für seine schön ausgestatteten Bücher bekannte Leipziger Haus Faber & Faber eine Neuedition von Alphonse Daudets Romans „Tartarin von Tarascon“ in der Übersetzung von Ernst Weiß vorgelegt hat. Die Originalübertragung war 1928 von der Deutschen Buch-Gemeinschaft in Berlin verlegt und mit Zeichnungen von Walther Klemm versehen worden, die manche als etwas altbacken und zu bieder empfinden.
Für seine Neuausgabe des Klassikers der französischen Literatur um den spießigen Tartarin, der gleichwohl liebenswerte Züge hat, wählte Faber & Faber die Illustrationen einer 1942 in Paris bei Paul Continaud erschienenen Version des Romans, zu dem der Künstler Jacques Touchet insbesondere stimmungsreiche Aquarelle schuf. Als dieses Buch seine interessierten Leser fand, waren die französische Hauptstadt und große Teile des Landes von den Nazi-Machthabern okkupiert, und der in die Seinestadt emigrierte Schriftsteller und Übersetzer Ernst Weiß hatte schon zwei Jahre zuvor beim Einmarsch der deutschen Truppen seinem Leben ein Ende gesetzt.
Der Verleger Michael Faber hat der Neuedition des „Tartarin“ ein eigenes Nachwort angefügt, worin er die „bildnerischen Übersetzungen“, wie er die Illustrationen des Romans nennt, ausführlich Revue passieren läßt. Er trägt dafür viel einschlägiges Material zusammen, wofür man ihm Dank sagen muß, aber Fabers Urteilen über den künstlerischen Rang all dieser mit Bildern der unterschiedlichsten Art ausgestatteten Bände sollte man nicht in jedem Fall folgen. Auch ist der Text in manchen Passagen nicht sehr durchsichtig formuliert und hätte einen hauseigenen Lektor verdient gehabt, der sicher auch einige Druckfehler und Ungenauigkeiten korrigiert hätte, so etwa die falsche Schreibung des Übersetzernamens auf S. 178. Zwar findet sich immer einmal wieder die Version „Weiss“, aber der Autor zeichnete seine Briefe und andere Dokumente mit „Weiß“, was mithin die gültige Namesform ist.
In einer abschließenden Auflistung von Übersetzungen des „Tartarin“ ins Deutsche und der hierzulande erschienenen illustrierten Ausgaben, für die so bedeutende Künstler wie Emil Preetorius, George Grosz und Josef Hegenbarth gewonnen werden konnten, bringt es der Verlag fertig, die kurze Passage über die Originalausgabe der Übertragung von Ernst Weiß mit gleich vier Fehlern zu garnieren: Statt des richtigen Erscheinungsjahrs 1928 wird 1930 angegeben, dem Vorname des Illustrators Walther Klemm wird das „h“ entzogen, der Deutschen Buch-Gemeinschaft fehlt der Bindestrich – und der Nachname des Übersetzers ist erneut mit „ss“ falsch geschrieben. All diese Unebenheiten werden hoffentlich bei der zweiten Auflage ausgebügelt, die man dem wirklich schön und lesefreundlich gestalteten Buch sehr wünschen möchte.
Autor: Peter Engel
Bibliographische Angaben:
- Alphonse Daudet: Tartarin von Tarascon. In der Übersetzung von Ernst Weiß und mit den wunderbaren Illustrationen von Jacques Touchet
- Grafische Gestaltung: Thomas Walther, BBK; Satz und Reproduktion: Ö Grafik; Schrift: Bree, Bree Serif; Papier: CORDIER FLY OS; Druck und Bindung: CPI, Ulm; Schuber und Lesebändchen
- Verlag Faber & Faber, Leipzig 2022, 184 S., € 36,-
16.01.2023 Rubrik: Ernst Weiß Werk