Rubrik: Neue InhalteRubrik: Ernst Weiß Werk
02. Oktober 2025
Peter Engel
Ernst Weiß und E. R. Weiß – Der Schriftsteller und sein bekanntester Buchgestalter
Das Thema „Ernst Weiß und die bildende Kunst“ ist bisher aus dem einfachen Grund noch nicht behandelt worden, weil es dafür an einschlägigem Material mangelt. Zwar hat sich der Schriftsteller in seinen Essays, Aufsätzen und Schriften zur Literatur nicht nur mit den von ihm geschätzten Autoren befaßt, sondern ebenso die großen Maler von Raffael bis Rubens, von Dürer bis Rembrandt – in den passenden Zusammenhängen – mit einigen Worten bedacht. Auch Manet und Degas, van Gogh und Cezanne, ja selbst Munch und Le Corbusier waren ihm ein paar Bemerkungen wert, aber die schöpfte er aus seinem Bildungsvorrat, die meist knappen Erwähnungen waren nicht der eingehenden Beschäftigung mit den genannten Künstlern geschuldet. Einzige Ausnahme von dieser Regel ist der intensive Essay, den Weiß dem Zeichner Honoré Daumier widmete und der ihn auf der Höhe seiner analytischen Fähigkeiten zeigt.
Über die tatsächlichen Kunstkenntnisse des Schriftstellers wissen wir kaum etwas, in seinen bisher bekannten Briefen etwa findet sich nichts über Museumsbesuche oder Begegnungen mit Künstlern. Dabei sind einige seiner Werke illustriert worden, so die Erstausgabe seines Romans „Die Feuerprobe“ (1923) von keinem geringeren Maler als Ludwig Meidner. Auch haben bekannte Buchgestalter für seine Romane Einbände und Umschläge geschaffen, durch die sie aus der Masse des üblichen Lesestoffs herausgehoben werden sollten. In einem Fall hat sich Weiß über einen solchen Buchkünstler auch geäußert, nämlich über Hans Meid, aber das geschah nur anläßlich der Besprechung von Thomas Manns Erzählung „Mario und der Zauberer“ (1930), die von Meid „reizend illustriert“ worden sei, wie der Rezensent beiläufig anmerkte.
Ungewiß ist, ob Weiß jemals Kontakt mit einem der bedeutendsten Buchkünstler während der Zeit der Weimarer Republik hatte, nämlich mit E. R. Weiß, mit dem er nicht nur den Nachnamen teilte, sondern der auch für die äußere Gestalt seines Roman „Boetius von Orlamünde“ von 1928 verantwortlich war. Dieser Künstler, der vor 150 Jahren, am 12. Oktober 1875 im badischen Ort Lahr geboren wurde und dem die Eltern die Vornamen Emil Rudolf gaben, war – mit einem heutigen Ausdruck - der Chefdesigner des S.Fischer Verlags, zu dem Weiß mit seinem „Boetius“ noch einmal zurückgekehrt war, nachdem in diesem bedeutenden Haus 1913 sein Erstlingswerk „Die Galeere“ erschienen war und danach noch weitere Bücher.

Für die Erstausgabe des „Boetius von Orlamünde“ – die überarbeitete spätere Fassung hieß dann „Der Aristokrat“ – gestaltete E. R. Weiß neben dem Umschlag vor allem auch den Einband, der auf lindgrünem Leinen ein sich aufbäumendes Pferd zeigt. Diese Zeichnung stammt von der Bildhauerin Renée Sintenis (1888-1965), die durch ihre Tierskulpturen bekannt wurde und mit der E. R. Weiß seit 1917 verheiratet war. Die Pferdezeichnung ist sogar mit den Initialen der Künstlerin signiert, was bei Einbänden eher selten ist, die Schreibschrift der Titelei scheint die private Schrift von Weiß nachzuahmen, was andeuten könnte, daß es vielleicht doch eine Bekanntschaft zwischen dem Romanautor und den beiden Künstlern gegeben haben könnte, nur fehlen die beweisenden Dokumente dafür bisher. Eine Verbindung gab es aber in der Tat zwischen dem Schriftsteller und der Bildhauerin, beide wurden nämlich 1928 im Kulturprogramm der Sommer-Olympiade von Amsterdam – so etwas gab es damals noch – ausgezeichnet: Weiß eben für den Roman „Boetius von Orlamünde“ mit einer Silbermedaille, Renée Sintenis mit einem dritten Preis beim Kunstwettbewerb in der Sektion Plastik.

Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, flüchtete Ernst Weiß bekanntlich erst nach Prag und ging dann ins Pariser Exil, wo er sich im Sommer 1940 beim Einmarsch deutscher Truppen das Leben nahm. Der Gestalter eines seiner Hauptwerke, des Romans „Boethius von Orlamünde“, verlor 1933 sofort seine Professur an der Berliner Kunstgewerbeschule, später Vereinigte Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst, wo er seit 1910 die Fachklasse für dekorative Wandmalerei und Musterzeichnen geleitet hatte. Nach dem Verlust seines Lehramtes lebte E. R. Weiß ausschließlich von seiner buch- und schriftkünstlerischen Tätigkeit und zog sich in seine badische Heimat zurück. 1937 wurde er aus der Akademie der Künste ausgeschlossen, am 7. November 1942 starb er in Meersburg, auf andere Art als sein Nachnamensvetter Ernst Weiß ebenfalls ein Opfer der Nationalsozialisten.
02.10.2025 Rubrik: Neue Inhalte Ernst Weiß Werk