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02. April 2023

Carlos Fortea: Ernst Weiß in Spanisch

Auf Bitte von Peter Engel hat der Schriftsteller und Übersetzer Carlos Fortea über die relativ neue Entdeckung von Ernst Weiß in Spanien einen Text geschrieben. 

Die „Anwesenheit“ des Schriftstellers Ernst Weiß in Spanien ist relativ neu, aber nichtsdestoweniger relevant. Wie er selbst in seinen autobiographischen Aufzeichnungen sagte, war er zu Lebzeiten in praktisch keine Sprache übersetzt worden, und das galt auch für das Spanische. Man hätte meinen können, dass seine Stunde mit seiner Wiederentdeckung in Deutschland schlagen würde, aber selbst danach ließ sie lange auf sich warten. Politisch ging es Spanien 1963 nicht viel besser als Adenauers Deutschland -im Gegenteil, es ging ihm viel schlechter -, so dass man nicht damit rechnen konnte, dass Weiß einen Platz in den spanischen Büchereien finden würde.

Carlos Fortea: Ernst Weiß in Spanisch

In der Tat hat er damals keinen gefunden. Er fand ihn auch nicht, wie andere deutschsprachige Autoren, mit dem Beginn der Wende zur Demokratie. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis unsere Verlagsbranche den Sprung wagte, ihn zu entdecken. 1988 veröffentlichte Ediciones B Verlag in der Reihe Narradores de hoy [Heutige Romanciers] erstmals El testigo ocular [Der Augenzeuge], übersetzt von Alfonsina Janés und mit einem Nachwort von Peter Engel.

Damals blieb das Buch weitgehend unbeachtet, obwohl es zwei Jahre später vom Buchclub Círculo de Lectores neu aufgelegt wurde. Man könnte meinen, dass Weiß keinen Erfolg hatte und dass sein Schicksal besiegelt war, aber das neue Jahrhundert sollte ihm mehr Glück bringen. Im Jahr 2002 veröffentlicht der Minúscula Verlag die neu entdeckte Erzählung Jarmila, una historia de amor de Bohemia [Jarmila. Eine Liebesgeschichte aus Böhmen] in der Fassung eines anderen großen spanischen Übersetzers, Feliú Formosa, mit einer Nachrede von Peter Engel, und 2003 veröffentlichte der Verlag Siruela erneut El testigo ocular [Der Augenzeuge]. Diesmal erregte der Roman die Aufmerksamkeit der Kritiker. In „El País“ sprach Cecilia Dreymüller von der "kraftvollen und plastischen Prosa" von Weiß, von der "fesselnden Handlung" des des „Augenzeugen“ und der „Konstruktion der Hauptfigur, die so komplex und glaubwürdig in ihren Widersprüchen ist". Ana María Moix schrieb über Jarmila: "Präzision, Subtilität und innere Geschlossenheit sind die Qualitäten von Jarmila, einer Erzählung, deren Handlung [...] kaum zu dem literarischen Juwel werden könnte, das sie ist, wenn sie nicht mit der Meisterschaft geschrieben worden wäre, die Weiß an den Tag legt". In „La República Cultural“ bezeichnete José Ramón Martín Largo Jarmila als "Meisterwerk".


Der Erfolg ermutigte Siruela, weiteres zu veröffentlichen, und 2005 erschien El pobre derrochador [Der arme Verschwender], wiederum in der Übersetzung von Alfonsina Janés und mit einem Vorwort von Peter Engel. Im Jahr 2019 veröffentlichte der unabhängige Verlag Hjckrrh! Franta Zlin, mit einem Vorwort und einer Übersetzung von Carlos Fortea, und im Jahr 2022 publizierte der Verlag Alpha Decay El aristócrata [Der Aristokrat] mit einem Vorwort und einer Übersetzung von Alberto Gordo, und der Verlag Cátedra veröffentlichte Franziska, in der Übersetzung von Carlos Fortea. Bei dieser Gelegenheit wurde der Text von einer Vorstudie von Carlos Fortea begleitet, die wahrscheinlich die erste originale monographische Arbeit über Weiß in Spanien ist und eine vollständige Bibliographie seiner in deutscher und spanischer Sprache veröffentlichten Werke enthält.

Die Publikationsgeschichte von Ernst Weiß in Spanien ist noch nicht abgeschlossen. Derzeit ist der Band El médico de la prisión [Die Vaterlosen oder Der Gefängsnisarzt] im Druck (Ginger Ape Verlag, übersetzt von Carlos Fortea). Entlang der Linien, die sein Leben und seine Karriere geprägt haben, bahnt sich der Schriftsteller Ernst Weiß posthum langsam aber sicher den Weg zu seinem rechtmäßigen Platz in Spanien.

02.04.2023     Rubrik: Neue Inhalte Ernst Weiß Werk

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